2.3. Studienprogramm

Aus dem Forschungsprogramm des GK ergeben sich folgende Strukturen des Studienprogramms:

Im Grundlagenkolleg stehen Theoriebildung und Methodologie im Umkreis der Fragestellung des GK zur Debatte. Das notwendige theoretische und methodologische Wissen wird hier vermittelt, problemorientiert, was impliziert, da▀ dies Wissen nicht als abgeschlossenes, sondern als stets weiterzuentwickelndes im Blick bleibt. Funktional wird im Grundlagenkolleg die Basis geschaffen fⁿr die interdisziplinΣre Verklammerung der fachspezifischen Themen, Problemstellungen und Erkenntnisse.

Im Schwerpunktkolleg wird das fⁿr ein Semester oder ein Jahr ausgewΣhlte Schwerpunktthema erarbeitet. Abgeschlossen wird dies jeweils mit einem kleinen Symposion zum Schwerpunkt ('Schwerpunktsymposion'), an dem alle am GK beteiligten Hochschullehrer teilnehmen (Dauer in der Regel ein Tag). Im Schwerpunktsymposion wird der erreichte Argumentations- und Diskussionsstand zu spezifischen Problemstellungen des jeweiligen Schwerpunkts und ⁿber diesen hinaus zu grundlegenden Fragen des Gesamtthemas verdeutlicht.

Im Forschungskolloquium werden die einzelnen Dissertationsprojekte diskutiert, wobei die Einbindung in die Perspektive des zugeh÷rigen Schwerpunkts wie in das generelle Forschungsprogramm des GK im Vordergrund steht.

Pro Semester werden ein Grundlagenkolleg (Themenspektrum s.u.), je nach Thema ein oder zwei Schwerpunktkollegs (weitere Angaben s.u.) und ein Forschungskolloquium angeboten. Der Besuch des Grundlagenkollegs, eines Schwerpunktkollegs und des Forschungskolloquiums ist obligatorisch. Werden in einem Semester zwei Schwerpunktkollegs angeboten, stehen diese auch fⁿr eine - begrenzte - Zahl von Nicht-Kollegiaten offen.

Im Abstand von eineinhalb Jahren werden erweiterte wissenschaftliche Symposien zu zentralen Fragen des Forschungsprogramms, zugleich zu Aspekten der zurⁿckliegenden wie der nΣchstfolgenden Schwerpunktthemen abgehalten. An ausgewΣhlten Problemkonstellationen soll insbesondere hier der Dialog mit den FΣchern gefⁿhrt werden, die jeweils als Felder von Pragmatisierung / Entpragmatisierung relevant sind, z.B.: Philosophie, PΣdagogik, Theologie, Psychologie, Soziologie, empirische Kulturwissenschaft, andere Kunstwissenschaften (Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte, Musikwissenschaft). Der bewu▀t philologischen Grundkonzeption des GK soll hier ein Gegengewicht geschaffen werden. An den erweiterten wissenschaftlichen Symposien wirken alle Hochschullehrer des GK, Tⁿbinger Vertreter der genannten anderen FΣcher und auswΣrtige Fachvertreter mit.

Mit den Schwerpunktsymposien und den erweiterten wissenschaftlichen Symposien werden die ErtrΣge der gemeinsamen Arbeit gesichtet und gesichert.

Die im Forschungsprogramm des GK dargelegten Forschungsschwerpunkte sind Forschungsfelder der am GK mitwirkenden Hochschullehrer, was sich auch in deren allgemeinem Lehrangebot niederschlΣgt. Entsprechend werden ⁿber Grundlagenkolleg, Schwerpunktkollegs und Forschungskolloquium hinaus jedes Semester eine Reihe von Seminaren (Hauptseminare, Oberseminare) angeboten, die fⁿr die Fragestellung des GK einschlΣgig sind (' themenspezifische Forschungsseminare '). Die Stipendiaten des GK k÷nnen an diesen Seminaren teilnehmen. Bestimmte Aspekte des jeweiligen Schwerpunktthemas k÷nnen hier in Philologien, ZeitrΣumen, Medien und mit methodischen Zugangsweisen aufgearbeitet werden, die im Schwerpunktkolleg nicht im Zentrum stehen.

Die beschriebenen Kollegs k÷nnen durch zweiw÷chige Kompaktseminare ergΣnzt werden, die jeweils nach Semesterende abgehalten werden. Hierzu werden Gastwissenschaftler eingeladen, die die Erarbeitung des jeweils ausgewΣhlten Schwerpunktthemas um solche Bereiche und methodische ZugΣnge ergΣnzen sollen, die die am GK beteiligten Hochschullehrer nicht vertreten.

Grundlagenkolleg

Fⁿr die Vermittlung des theoretischen und methodologischen Wissens im Bereich des GK und fⁿr die problemorientierte Auseinandersetzung mit dem Proze▀ der Konzeptionsbildung auf verschiedenen Feldern von Pragmatisierung/Entpragmatisierung ergeben sich folgende Themenbereiche (die Themen sind jeweils systematisch und historisch zu entwickeln, letzteres konzentriert auf Phasen ausgesprochener Kanonbildung und auf Modernisierungsschwellen):
  1. Allgemeine Handlungstheorien und Theorien kommunikativen Handelns

    Habermas' Theorie kommunikativen Handelns, dessen Rezeption und Kritik in Soziologie und Literaturwissenschaften. Aporetische Implikationen der linguistischen Pragmatik (die Debatte Searle-Derrida), Konsequenzen fⁿr die Literaturtheorie. Entstehungsbedingungen und semiologische Grundlagen der pragmatischen Philosophie (z.B. Dewey, Rorty) und die neostrukturalistische/dekonstruktivistische Literaturtheorie im Vergleich.

  2. Allgemeine und vergleichende Literaturtheorie im Horizont von Fragen der Pragmatisierung/Entpragmatisierung

    Der 'Ort' der Literatur in einer allgemeinen Theorie der Kⁿnste/im Vergleich mit nichtsprachlichen Kⁿnsten/im Kontext einer allgemeinen Kultursemiotik. Gattungstheorie/Poetologie als Felder der Bildung von Konzepten der Pragmatisierung/Entpragmatisierung.
    Semiologie (Zeichenbildung, Bedeutungskonstitution) literarischer Texte im Horizont von Pragmatisierung/Entpragmatisierung.
    Das VerhΣltnis von Fiktion und Didaxe in der Lehrdichtung.
    Der 'Ort' (das 'Ethos') der Dichtung/der Literatur in der Wirklichkeit des Menschen (z.B.: Aristoteles' Unterscheidung eines 'sch÷pferischen Wissens' [episteme poietike] von einem theoretischen und einem praktischen Wissen; Kants Topologie des Sch÷nen als Feld zwischen Naturwissenschaft und Ethik [Sittengesetz]; neostrukturalistische Bestimmungen der Literatur im Bruch zwischen dyadischer A-Strukturiertheit und symbolischer Ordnung).
    Leitende Kategorien, in denen der Bezug der Literatur zur Wirklichkeit jenseits der Literatur reflektiert wird (z.B.: Mimesis [der Welt des menschlichen Handelns wie der Natur], Mythos, Geschichtlichkeit, Diskurs).
    Das VerhΣltnis der Literatur zur jeweiligen Leitwissenschaft als prominenter Ort der Bildung von Konzepten der Pragmatisierung/Entpragmatisierung (17. Jh.: Theologie, 18. u. 19. Jh.: Philosophie, 20. Jh.: Marxismus, Psychoanalyse, Linguistik). Diskursanalyse/New Historicism als neue Felder der Bildung von Konzepten der Pragmatisierung/Entpragmatisierung.

  3. Produktionstheorien der Literatur im Horizont von Fragen der Pragmatisierung/Entpragmatisierung

    Techne-Aspekt: Regelpoetiken, Rhetoriken, Kanonbildungen als Diskussionsfelder von Konzepten der Pragmatisierung/Entpragmatisierung; Vergleich mit und Abgrenzung gegenⁿber linguistischen Modellen der Textproduktion in diesem Zusammenhang (in Kooperation mit mehreren in Tⁿbingen vorhandenen Forschungsschwerpunkten hierzu).
    Literarische Innovation / Geniegedanke / Modernisierungsschwellen im Horizont von Pragmatisierung/Entpragmatisierung.
    Medientechnische Entwicklungen, Medientheorie als Bezugsfelder von Konzepten der Pragmatisierung/Entpragmatisierung.

  4. Rezeptionstheorien von Literatur im Horizont von Fragen der Pragmatisierung/Entpragmatisierung

    ─sthetik und Rhetorik: Fall und Wiederaufstieg des Rhetorikparadigmas in der Literaturwissenschaft.
    Literarische ╓ffentlichkeit als Bezugsfeld von Pragmatisierung/Entpragmatisierung. Wirkungsmodelle von Literatur (z.B.: Katharsis, prodesse et delectare, sch÷pferische Rezeption, 'Allegorien des Lesens', Konzepte literarischer Didaxe).
    Literarische Wirkung/Literaturkritik als Felder von Pragmatisierung / Entpragmatisierung der Literatur.
    Aporien der Pragmatisierungs-/Entpragmatisierungsforderung (z.B.: FunktionalitΣt als Legitimation von Literatur, zugleich als Aush÷hlen der literarischen QualitΣt).

    Angesichts der vielen offenen Fragen der Forschung in diesem Umfeld werden sich im Fortgang der Arbeit neue Problemstellungen ergeben, die zu Erweiterungen wie erheblichen Modifikationen des vorgestellten Themenspektrums fⁿhren k÷nnen.

Aus dem dargelegten Themenspektrum wird pro Semester ein Grundlagenkolleg (14 tg, 2 st) mit genau eingegrenztem Gegenstand angeboten. Die Auswahl des Themas orientiert sich auch an den Bedⁿrfnissen der in den Promotionsvorhaben entwickelten Fragestellungen. Wenn sich dies von der Sache her besonders nahe legt, k÷nnen Grundlagenkolleg und Schwerpunktkolleg enger aufeinander bezogen werden (zu einem w÷chentlich stattfindenden dreistⁿndigen Kolleg). Im Grundlagenkolleg sind in einem gewissen Umfang GastvortrΣge sowohl Tⁿbinger als auch externer Wissenschaftler vorgesehen. Damit sollen Fragestellungen, Theorien und methodische AnsΣtze eingebracht werden, die von den am GK beteiligten Hochschullehrern nicht vertreten werden.

Schwerpunktkolleg

Das Themenspektrum der Schwerpunktkollegs ist in der Beschreibung der Forschungsschwerpunkte dargelegt (s. Punkt 4). Die Schwerpunktkollegs haben eine Doppelorientierung. Sie leisten auf der einen Seite Konkretion (der zur Debatte stehende Proze▀ der Pragmatisierung/Entpragmatisierung wird in seinen historischen, thematischen, poetologischen, literaturtheoretischen und medientechnischen Bezugsfeldern erarbeitet), auf der anderen Seite Verallgemeinerung (anhand des untersuchten spezifischen Prozesses von Pragmatisierung/Entpragmatisierung wird nach verallgemeinerbaren Gesetzen und theoretischen Konsequenzen fⁿr Pragmatisierung/Entpragmatisierung gefragt; das verlangt, den jeweils spezifischen Proze▀ im Horizont vergleichbarer VerlΣufe in anderen Literaturen, unter anderen historischen und medientechnischen Bedingungen zu betrachten).
Die Schwerpunktsymposien, die am Ende eines jeden Semesters abgehalten werden, sollen die Schwerpunktkollegs - sofern in einem Semester zwei abgehalten wurden - wieder zusammenfⁿhren. Generell sollen die Schwerpunktsymposien den erreichten Stand der Forschung sichern und - gerade durch die Mitwirkung aller am GK beteiligter FΣcher - neue Perspektiven er÷ffnen. Ggf. werden zu den Schwerpunktsymposien auch einige externe Fachvertreter hinzugezogen, insbesondere um ForschungsansΣtze einzubeziehen, die von den am GK beteiligten Hochschullehrern nicht vertreten werden. Die Schwerpunktsymposien sollen die zum jeweiligen Forschungsschwerpunkt erarbeiteten Erkenntnisse nicht nur zusammenfⁿhren und bⁿndeln, sondern zugleich auch an alle am GK beteiligten FΣcher zur Umsetzung in deren spezifische Fragestellung weitergeben. Durch diese Art Informationsaustausch unter allen Hochschullehrern des GK wird die kontinuierliche Weiterentwicklung des Forschungsprogramms gesichert.

Forschungskolloquium

Die Breite und die Vielfalt der im Forschungsprogramm des GK gebⁿndelten Themen und Fragestellungen fⁿhrt zu einer weiten fachlichen und methodologischen Streuung der ForschungsansΣtze. Diese Offenheit ist gewollt, um innovativen Forschungsprojekten Raum zu geben. Bei aller fachspezifischen und methodologischen Streuung sollen die Dissertationsprojekte gleichwohl auf die allgemeinen und grundlegenden Fragen des GK bezogen bleiben. Zugleich sollen die Dissertationsprojekte entweder prinzipiell interdisziplinΣr oder komparatistisch angelegt sein oder doch einen entsprechenden Akzent haben. Hieraus ergeben sich fⁿr das Forschungskolloquium folgende Arbeitsfelder:
  1. Vorstellung und Diskussion der Dissertationsprojekte unter insbesondere drei Aspekten: a. wechselseitige Beziehungen zu Nachbarprojekten, b. theoretisch generalisierbare Perspektiven fⁿr das Gesamtprogramm des GK, c. interdisziplinΣre und komparatistische Perspektiven.
  2. Er÷rterung von Themen/Fragestellungen, mit denen Veranstaltungen des Grundlagenkollegs weiter vertieft oder in dort nicht behandelten Bezugsfeldern in den Blick genommen werden.
  3. Vorbereitung von BeitrΣgen aus dem Forschungskolloquium fⁿr die Schwerpunktsymposien.

Das Studienprogramm im ▄berblick:

  1. Grundlagenkolleg, 1 Semesterwochenstunde (SWS), 14 tg, 2 st, obligatorisch;
  2. ein oder zwei Schwerpunktkollegs mit abschlie▀endem Schwerpunktsymposion, jeweils 2 SWS, Teilnahme an einem Schwerpunktkolleg obligatorisch;
  3. Forschungskolloquium, 1 SWS (14 tg, 2 st), obligatorisch;
  4. evtl. einschlΣgige themenspezifische Forschungsseminare aus dem allgemeinen Lehrangebot;
  5. evtl. Kompaktseminare.
Mithin obligatorisch: drei Veranstaltungen, insgesamt 4 SWS.
Innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren k÷nnen die Stipendiaten fⁿr ein Semester - in der Abschlu▀phase (Schreibphase) ihrer Dissertation - teilweise von der Obligatorik befreit werden.

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© '96 Deutsches Seminar, UniversitΣt Tⁿbingen Letzte Änderung: 23.07.96